Montag, 26. Februar 2007

Über das Wienerlied (Auszüge einer Dissertation) I

Im Zuge einer Dissertation von Dr. Yvonne Rutka,
„I´ hab ka Angst vor´m Weanaliad!“
wurde eine Studie über den Nachwuchs in der Wienerlied-szene geschrieben. In dieser Arbeit wurde den 16er Buam sogar ein eigenes Kapitel gewidmet. In der Blog-Reihe "Über das Wienerlied" werden Auszüge aus dieser Arbeit mit freundlicher Genehmigung der Autorin veröffentlicht. Die gesamte Dissertation ist gegen einen Unkostenbeitrag erhältlich:
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III. Die Neue Zeit

III.1 Geht´s, Leuteln, schimpft´s net auf die neue Zeit

„Geht´s, Leuteln, schimpft´s net auf die neue Zeit, schaut´s euch doch um! Is´ gar so grauslich heut´? Wenn ich zurückdenk´, merk ich: Früher war´s viel schlimmer, die Leut´ sein heut´ net g´scheit, doch damls war´n sie dümmer. Was einmal war, das kommt ja doch nie wieder und das, was is´, is´ auch net grad´ zuwieder. Drum seid´s net grantig lobt´s die Welt von heut´ net erst im nachhinein als gute alte Zeit.“ Mit diesem Lied versuchte schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Robert Stolz, der viele Operettenmelodien komponierte, die eingefahrene Meinung über die „schlechte neue Zeit“ zu lockern. Auch heute schimpft der Wiener über Neues, denn wenn er nicht schimpfen kann, würde ihm etwas fehlen. Allerdings ist es keine kämpferische Kritik, sondern der Wiener begnügt sich mit der wehmütig-resigniativen Feststellung gewisser Zustände und Tendenzen. Dies habe ich auch in meiner empirischen Feldforschung miterleben können.

Wie auch in der Einleitung schon angemerkt, sehnt sich der Wiener nach der alten Zeit zurück, denn die neue ist für ihn nicht wirklich lebenswer. Auf das Wienerlied bezogen bedeutet dies, dass immer mehr neue Musikelemente einfließen, die für die ältere Generation zu neu und daher zu fremd sind. Daher muss der Wiener darüber klagen und raunzen. Allerdings lehnen viele Wiener das Wienerlied auch deshalb ab, da es Klischees einer Wiener Bevölkerung bildet, mit welcher man sich kaum identifizieren kann. Im gleichen Atemzug zeigt sich auch die Jugend vom „verschraubten“ alten Wienerlied nicht begeistert, weshalb sie nicht zu Wienerliedveranstaltungen gehen möchte. Viele junge Zuhörer sind schon bei der Nennung des Begriffs „Wienerlied“, geschweige denn beim zufälligen Hören eines Wienerliedes, schockiert und negativ eingestellt. Vor allem wenn sie nur mit Liedern aus der „guaten alten Zeit“, die in der Thematik die Zeit des 19. Jahrhunderts behandeln und oft jeden Bezug zur Gegenwart vermissen lassen, konfrontiert werden. Der junge Mensch stempelt das Wienerlied somit sofort als sentimentalen Kitsch ab. Erst bei Näherbringen durch gleichaltrige Gruppen oder neumodische Darbietungen bleiben viele junge Zuhörer hängen, fangen schlussendlich an, Gefallen daran zu finden und bekommen auch zu den genannten alten Liedern einen neuen Bezug. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich junge Musiker mit ihrem musikalischen Erbe zunächst auseinandersetzen, um dann neue Impulse einfließen zu lassen. Bestes Beispiel dafür ist, wie bereits erwähnt, der Musiker Roland J. L. Neuwirth, der, wie er in seinem Buch „Das Wienerlied“ betont, zuerst zu seinen Wurzeln finden mußte, um dann etwas Neues kreieren zu können.

Für das jüngere Publikum ist die größte Barriere die Wiener Sprache, denn die heutige Jugend, geschweige denn die Kinder, wächst nicht mehr mit dem Wiener Dialekt auf. So verstehen sie die Lieder ihrer Vorfahren nicht mehr. Um sich diese Schwäche, nicht anmerken zu lassen, schimpft man lieber über dieses verstaubte alte Liedgut, als sich damit einmal auseinanderzusetzen. Viele junge Leute haben keinen Zugang mehr zu Wienerliedern, da auch die Verbreitung durch die großen Medien nicht gegeben ist. Hörte man noch bis Ende der achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts sowohl im Österreichischen Fernsehen als auch Rundfunk Wienerlieder und sah Dokumentarfilme über diese Szene, sucht man heute vergeblich nach Wienerliedern in diesen Medien.

Das Wienerlied hatte und hat seine Bedeutung sicherlich auch als Kulturübermittler, Unterhaltungsproduzent und Informationsmultiplikator. Es kann aber auch als Webeträger für wirtschaftliche Interessen, wie zum Beispiel Heurige und Wein, fungieren. Erst seit circa fünf bis acht Jahren erlebt das Wienerlied eine Renaissance. Sowohl im Bereich der Musikproduktion durch den Nachwuchs, neue Kompositionen und vermehrte Tonaufnahmen, als auch in den Unterhaltungsmedien, sei es auch nur im privaten Bereich, nimmt das Wienerlied wieder einen größeren Stellenwert ein. Dafür haben sich viele Privatleute eingesetzt, die das Wienerlied nicht aufgeben konnten und wollten. So hört man auf dem privaten Radiosender Radio Orange einmal pro Woche für eine halbe Stunde Wienerlieder. Der Moderator Erich Zib, selber Knopfharmonikaspieler, versucht, nicht nur eine Musiksendung daraus zu machen, sondern auch Wissenswertes durch intensive Recherchen und Gespräche mit Musikern einfließen zu lassen. Selten wird auf Radio Niederösterreich im Zuge von Volksmusiksendungen auf Wienerlieder zurückgegriffen, diese werden aber oft in Kombination mit Schlagern gebracht.

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